/ 21.05.2018: 10 Jahre "Tag der deutschen Zukunft" - Ode to a dying march

Am 02. Juni 2018 soll in Goslar der nunmehr 10. "Tag der deutschen Zukunft" stattfinden. Die jährlich, an wechselnden Orten stattfindende Veranstaltung, besaß in der Vergangenheit eine gewissen Identifikationswirkung für die organisierte Neonaziszene. Die diesjährigen Vorbereitungen waren jedoch geprägt durch Mobilisierungsschwierigkeiten und organisatorische Probleme.

Die Ursprünge des sogenannten „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ) reichen rund ein Jahrzehnt zurück, in eine Zeit als eine Reihe großer neonazistischer Aufmärsche wegzubrechen drohten. Sinkende Teilnehmerzahlen sowie starke und gleichzeitig kreative Gegenproteste ließen die für den Szenezusammenhalt durchaus als wichtig zu betrachtenden Demonstrationen in Wunsiedel, Magdeburg und Dresden zusehends in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Großaufmärsche wie in Halbe brachen in diesem Zeitraum gänzlich weg. Eine Entwicklung, die dem propagierten „Kampf um die Straße“ entgegen lief und der die neonazistische Szene durch neue Kampagnendemonstrationen entgegen steuern wollte. Der Wunsch nach einer Stärkung der Szene nach innen sowie die Verbreitung der eigenen Anliegen auf die Straße zu bringen forderte eine neue Agitationsweise. Beim sogenannten „Stammtisch Nord“, einer Vernetzungsstruktur norddeutscher Neonazis, wurde hierfür eine Kampagnendemonstration entworfen, die partei- und strukturunabhängig agieren und somit über Anknüpfungspunkte für verschiedenste Organisationsstrukturen der Neonaziszene im gesamten Bundesgebiet verfügen sollte. Um größtmögliche Außenwirkung zu erreichen, sollte der Demonstrationsort und damit auch das Organisationsteam jährlich wechseln.

Trotz der geplanten Partei- und Strukturunabhängigkeit übernahmen in den folgenden Jahren aufgrund des schrittweisen Wegbrechens norddeutscher Kamerdadschaftsstrukturen mehr und mehr Parteistrukturen die Organisation und inhaltliche Ausrichtung des TddZ. War es in der ersten Zeit lediglich Unterstützung bei der Mobilisierung, übernahm spätestens 2014 in Dresden mit dem NPD- und JN-Aktivisten Maik Müller die NPD die alleinige Verantwortung für den TddZ. Zu dieser Zeit begann auch die NPD aufgrund innerer Richtungs- und Personalstreitigkeiten über schwindende Ressourcen zu klagen. Gleichzeitig konnte die Partei „Die Rechte“ zumindest in einigen wenigen Regionen, in denen Kameradschaften weggebrachen oder verboten wurden, aktive Strukturen aufbauen. Daher war es nur folgerichtig, dass diese neue Partei die Ausrichtung des TddZ ab dem Jahr 2016 übernahm.

In Pinneberg, dem ersten Veranstaltungsort des TddZ, versammelten sich unter Anmeldung von Thomas Wulff, Führungskader des „Stammtisch Nord“ sowie norddeutscher Neonazistrukturen, am 6. Juni 2009 etwa 200 Neofaschist*innen aus dem norddeutschen Raum. Freie Aktivisten*innen und NPDler*innen, überwiegend aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen, marschierten gemeinsam in Pinneberg auf; mit Thomas Wulff, Sven Skoda und Ingo Stawitz traten ebenfalls Redner*innen beider Lagern auf. Damit unterschied sich der erste TddZ kaum von anderen norddeutschen, neofaschistischen Demonstrationen im Jahr 2009. Lediglich die Teilnehmer*innenzahl fiel etwas höher aus als bei den vorangegangenen Demonstrationen in Lüneburg, Osnabrück oder Celle.

10 Jahre TddZ – Ein kurzer Überblick

Insbesondere die Teilnehmer*innenzahl sowie die Zusammensetzung der Teilnehmenden änderte sich im Folgejahr 2010, als Dieter und Ricarda Riefling den zweiten TddZ am 5. Juni 2010 in Hildesheim mit Unterstützung durch befreundete NPD-Strukturen ausrichteten. Aufgrund der zentraleren Lage reisten auch erstmals größere Gruppen von Neofaschist*innen aus den ostdeutschen Bundesländern an, hauptsächlich aus Sachsen-Anhalt. Etwa 700 Teilnehmer*innen folgten dem Aufruf und marschierten am ersten Juniwochenende durch Hildesheim, darunter auch eine größere Gruppe der inzwischen verbotenen Kameradschaft „Besseres Hannover“.

Dieter und Ricarda Riefling zeigten sich ebenfalls für den dritten TddZ am 4. Juni 2011 in Braunschweig verantwortlich. Sie erhielten dabei vor allem Unterstützung von Mitgliedern der inzwischen aufgelösten Kameradschaftsgruppe „Burschenschaft Thormania“ um Sören Högel und Oliver Malina. Malina verpflichtete für das Musikprogramm die Band „Selektion“ sowie den Liedermacher Fylgien, welches am Beginn der Veranstaltung in Braunschweig stand. Die Stadt Braunschweig genehmigte lediglich eine Kundgebung. Daher war, um doch noch marschieren zu dürfen, zusätzlich eine Demonstration im benachbarten Peine angemeldet worden, zu der die etwa 800 Teilnehmer*innen, unter ihnen auch größere Gruppen aus Berlin und Nordrhein-Westfalen, per Zug gelangten.

Am 2. Juni 2012 wurde der nunmehr vierte TddZ in Hamburg unter Zusammenarbeit von Thomas Wulff und Christian Worch ausgerichtet. Erstmals stießen die Teilnehmer*innen, etwa 400 in diesem Jahr, auf Widerstand und Blockaden, sodass sie ihre Demonstrationsroute ändern und verkürzen mussten. Auf Teilnehmer*innenseite führte dies zu nicht unerheblicher Unruhe, Pöbeleien und Böllerwürfen auch gegen Einsatzkräfte der Polizei. Im darauf folgendem Jahr fand der TddZ wieder in Niedersachsen statt. Feie Aktivist*innen um Dieter Riefling sowie die örtlichen NPD-Strukturen um Rene Grahn zeigten sich für die Demonstration in Wolfsburg verantwortlich. Etwa 500 Neofaschist*innen reisten an, darunter auch Gruppen aus Thüringen und Aktivist*innen aus Dänemark und den Niederlanden. Die Demonstrationsroute führte sie allerdings – anders als gewohnt – fast ausschließlich durch ein nahezu menschenleeres Industriegebiet.

Nach Niedersachsen und Hamburg wurde der sechste TddZ am 7 Juni 2014 in Sachsen von Maik Müller, der sich nach Jahren als parteiunabhängiger Neonazi der NPD angeschlossen hatte, ausgerichtet. In Dresden ging die Teilnehmer*innenzahl mit etwa 470 Personen – wie bereits im Vorjahr – weiter zurück. Im Folgejahr 2015 zeichnete sich ein ähnliches Bild. Etwa 500 Neofaschist*innen kamen Anfang Juni in Neuruppin, dem bisher kleinsten Veranstaltungsort, zusammen. Auch hier wurde die Demonstration von lokalen NPD-Strukturen, um Dave Trick, organisiert. Und – wie schon in Hamburg 2012 – wurde der Demonstrationszug durch eine Blockade gestoppt. Nur mit Mühe gelang es der Demoleitung und den Ordnern die sichtlich aufgebrachte Anhänger*innenschaft zu beruhigen.

Mit der Neonazipartei "Die Rechte", die nach dem Verbot des „Nationalen Widerstand Dortmund“ in eben jener Stadt einen Kreisverband gegründet hatte, trat im Jahr 2016 erstmal eine neue Struktur als Veranstalterin auf. In Dortmun nahmen am achten TddZ, hauptsächlich von Dennis Giemsch, Michael Brück und Alexander Deptolla organisiert, etwa 1000 Teilnehmer*innen teil. Dass diese beträchtliche Teilnehmer*innenzahl eine einmalige Ausnahme bleiben würde, wurde in Karlsruhe am 3. Juni 2017 deutlich. Angemeldet vom (mittlerweile) Bundesvorsitzenden der Partei „Die Rechte“, Christian Worch, und organisiert von deren baden-württembergischen Landesvorsitzenden Manuel Mültin erreichte die Demonstration mit knapp 300 Teilnehmer*innen einen zwischenzeitlichen Tiefpunkt. Dieser offenbarte sich nicht nur hinsichtlich der zunehmenden Mobilisierungsschwierigkeiten unter dem Label des TddZ. Acht der neun vorgesehenen Redner*innen, darunter auch Dieter Riefling sowie alle drei nachgemeldeten, wurden von den Behörden mit Redeverbot belegt, sodass am Ende lediglich Worch und Mültin reden durften. Der Umstand, dass weder die Führungskader noch die Szene in Gänze in der Lage waren den behördlichen Auflagen etwas entgegenzusetzen, offenbart den eigentlichen Tiefpunkt, der für das Jahr 2018 einen weiteren Abwärtstrend vermuten lässt.

So kämpft auch die Gruppe „Kollektiv Nordharz“, Veranstalterin der nunmehr zehnten Auflage der TddZ-Kampagnendemonstration, abermals mit Mobilisierungsschwierigkeiten. An denen auch die erhöhten Werbetätigkeiten der Veranstalter*innen nichts änderten. Ebenfalls scheint die Durchsetzung bestimmter Redner*innen derzeit eine unlösbare Aufgabe zu sein. Allerdings schien es 2017 mit der Übergabe der Kampagne an Mit der Gruppe „Kollektiv Nordharz“ schien es zunächst eine vermeintliche Rückkehr zu den Wurzeln des TddZ zu geben, zu freien Aktivist*innen als Ausrichter*innen des Aufmarsches. Das „Kollektiv Nordharz“ löste sich allerdings bereits wenige Monate später, Ende 2017 auf und gründete sich in personell ähnlicher, aber zahlenmäßig geschrumpfter Zusammensetzung kurz darauf als „Großkreisverband Die Rechte Süd-Ost Niedersachsen“ neu, sodass auch der diesjährige TddZ nicht – wie anfänglich geplant – parteiunabhängig organisiert wird.


Eine gute Woche nach dem, für den 2. Juni 2018 vorgesehenen, zehnten TddZ feiert Dieter Riefling seinen 50. Geburtstag. Riefling kann dann auf eine über 30-jährige neonazistische Karriere zurückblicken. Der in Alfeld geborene, selbsternannte Nationalsozialist war schon in Jugendzeiten in neonazistischen Parteien und Netzwerken aktiv, darunter in der 1995 verbotenen FAP („Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“) und dem im Jahre 2000 verbotenen Neonazinetzwerk „Blood & Honour“. Noch zu Sylvester 2014 posierte Riefling auf einer Feier mit Hildesheimer Neonazis vor dem Erkennungszeichen des verbotenen Neonazinetzwerks, das auch in den NSU-Komplex verstrickt ist. Auch für die rechtsextremistische Hildesheimer „Bürgerinitiative für Zivilcourage“ (BfZ) zeigte sich der mehrfach vorbestrafte Riefling verantwortlich. Riefling galt lange als einer der Drahtzieher der TddZ-Aufmärsche und war jahrelang ein beliebter Redner. Er selbst bezeichnet sich gerne als „Emulgator“. Dass Riefling auch ansonsten mit Flüssigkeiten vertraut ist, davon zeugt ebenso sein massives Alkoholproblem. Zahlreiche Mitteilungen in den sozialen Medien, sowie Aussagen von ehemaligen Kamerad*innen belegen, dass innerhalb der Neonaziszene nicht nur hinter vorgehaltener Hand darüber berichtet wird.

Der „Mythos“ Riefling

Im Jahr 2012 beleidigte Riefling auf dem Rechtsrockfestival „Rock für Deutschland“ die anwesende Journalistin Mo Asumang rassistisch und wurde dafür im Jahr 2015 vom Amtsgericht Gera zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Dagegen ging Riefling in Berufung und wurde schließlich vom Landgericht Gera zu einer einjährigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht Jena vollumfänglich bestätigt. Der im niedersächsischen Söhlde wohnhafte Neonazi ist bekannt für seine oft volksverhetzenden und menschenverachtenden Reden. So forderte er 2013 von der Polizei Blockierer*innen, die sich in Bad Nenndorf an eine Betonpyramide gekettet hatten, die Finger abzuschneiden.

Dass Rieflings oft gewaltverherrlichende Reden nicht nur auf pure Gewaltfantasien gestützt sind, davon zeugen insbesondere seine massiven Gewaltausbrüche gegenüber seiner Ehefrauen und Kinder. 2008 trat er seiner damals hochschwangen Frau Ricarda Riefling, die sich vor Rieflings Schlägen mit einem Aktenordner in das Badezimmer geflüchtet und dessen Tür er zertrümmert hatte, in den Bauch. Ricarda Riefling verbrachte nach eigenen Angaben mehrere Wochen im Krankenhaus. Im folgenden Jahr warf Riefling seiner Frau einen Schraubenschlüssel ins Gesicht, die daraufhin einen Nasenbeinbruch erlitt. Gegen Riefling wurde vom Amtsgericht Alfeld im Jahr 2012 ein Annäherungsverbot ausgesprochen, die Ehe scheiterte.

Nach der Haftentlassung im Juni 2016 versuchte Riefling nahezu krampfhaft wieder in der Szene Fuß zu fassen. Dies war allerdings nur bedingt von Erfolg gekrönt. Ehemalige Führungskader der niedersächsischen Sektion des verbotenen Neonazinetzwerks „Blood & Honour“ bescheinigten Riefling schon Mitte der 2000er eine „soziale Inkompetenz und Unberechenbarkeit“ die einer verbindlichen Zusammenarbeit mit ihm im Wege stehe. Auch die NPD-Niedersachsen empfing Riefling nicht mit offenen Armen. Im Gegenteil: der niedersächsische Landesverband verhängte gegen Riefling bereits im Jahr 2006 auf Parteiveranstaltungen ein internes Redeverbot. Das Verhältnis zwischen Riefling und der neonazistischen Partei hatte sich auch zehn Jahre später nicht wesentlich geändert. Solange Riefling „weiterhin als gewalttätiger Selbstdarsteller“ auftrete, werde eine Zusammenarbeit nicht intensiviert, so Stimmen aus dem NPD-Landesvorstand im Jahr seiner Haftentlassung.

Fortan widmete sich Riefling vor allem den Strukturen der Partei „Die Rechte“ im südlichem Niedersachsen. Mitglieder der Partei „Die Rechte Hildesheim“ entfalten zu diesem Zeitpunkt in enger Zusammenarbeit mit Neonazis der Region Braunschweig eine Reihe öffentlichkeitswirksamer Aktivitäten. Doch diese Aktivitäten waren nur von kurzer Dauer: interne Streitigkeiten führten inzwischen zur Auflösung des Kreisverbandes. Spätestens zu diesem Zeitpunkt verlegte Riefling seinen aktionistischen Schwerpunkt erneut auf den TddZ und versuchte sich an der Etablierung des vermeintlichen „Mythos“ Riefling. Fortan bezeichnete sich Riefling mehrmals als der eigentliche „Vater des TddZ“, welcher den TddZ schlussendlich „ins Leben gerufen“ habe. Dabei verschweigt Riefling, dass er auf dem Treffen des „Stammtisch Nord“, auf welchem der TddZ konzipiert wurde, lediglich anwesend war und die eigentliche Initiative aus Diskussionsprozessen anderer Neonazifunktionäre geboren wurde. Dennoch wurde Rieflings Selbstbild als „Vater des TddZ" mittlerweile weitestgehend übernommen. Letztlich trug dies auch zu einer zunehmenden Entpolitisierung des TddZ bei. Entgegen der Vorjahre, in denen sich die Veranstalter*innen inhaltliche Schwerpunkte setzten, wurde nun mit der „Personalie Riefling“ geworben. Inwieweit dies die prognostizierten Mobilisierungsschwierigkeiten aufzufangen vermag bleibt abzuwarten. Zumal die „Personalie Riefling“ weiterhin als umstritten gilt.


Der schwarze Schriftzug „Nordharz“ auf dem Hemdkragen wies bereits bei der Übergabe der Veranstaltung während des 9. TddZ in Karlsruhe darauf hin, welche Struktur nun versuchen würde, die Kampagne zu übernehmen und die Veranstaltung für das Jahr 2018 auszurichten. Es handelte sich um eine Gruppe von Neonazist*innen aus dem Harzgebiet zwischen Goslar und Ilsenburg, die bis zu diesem Zeitpunkt vor allem als Einzelpersonen in Erscheinung traten. Zwar tauchte der Schriftzug „Nordharz“ ab dem Jahr 2015 vereinzelt auf Fahnen und Bekleidungsstücken auf, doch erst wenige Monate vor Übernahme der TddZ-Kampagne entwickelte sich ein fester organisatorischer Zusammenschluss. Dieser trat erstmals mit einer Internetseite in Erscheinung, auf der sich ein „Kollektiv Nordharz“ zu Wort meldete. Die inhaltliche Ausrichtung dieser Seite ließ auf eine Ausrichtung an den Konzepten sogenannter „Autonomer Nationalisten“ schließen. In dieses Schema passten auch die Vermummung und das martialische Auftreten, dass Mitglieder bei ihren ersten gemeinsamen Auftritten im April und Mai 2017 zeigten. Nahezu völlig konträr dazu war dann der Auftritt beim TddZ in Karlsruhe bei welcher der TddZ übernommen wurde: das uniformierte Auftreten in weißen Hemden mit Kragenenblem und schwarzen Hosen erinnerten stark an das Auftreten der regional benachbarten „Kameradschaft Northeim“.

Gastgeberstruktur 2018

Noch vor vier Jahren erschien es unwahrscheinlich, dass Goslar, mit etwas über 50 000 Einwohnern eine eher kleinere Stadt in Südniedersachsen, einmal Veranstaltungsort für den TddZ werden könnte. Zwar waren Neofaschist*innen aus der Region beim TddZ 2010 in Hildesheim stark vertreten und führten dort sogar ein eigenes NPD- Transparent mit. Allerdings verschwand die NPD nach dem parteipolitischem Rückzug der Familie Kallweit und anderer NPD-Funktionsträger aus anderen Harzkreisen dort fast vollständig von der Bildfläche. Dabei hatte die Partei, die im Harzraum mit etlichen Mandaten in Gemeinderäten und Kreistagen vertreten war, diese Region zu einer ihrer Hochburgen gezählt. An diesem Verschwinden konnte auch die Bürgermeisterkandidatur von Holger Weidner nichts ändern, der als Einzelkämpfer versuchte an die erfolgreichen Zeiten anzuknüpfen. Auch Carsten Dicty, welcher in den vergangenen Monaten versuchte neue NPD-Strukturen in der Region zu etablieren, gelang es bislang nicht an vormalige Aktivitäten der NPD in der Harzregion anzuknüpfen. Und auch die Unterstützung des NPD-Landesverbandes bleibt den Aktivposten vor Ort bislang verwehrt. So wird der von Dicty neu gegründeter Kreisverband Goslar innerhalb der NPD-Niedersachsen als Phantom bezeichnet, dessen offizielle Anerkennung durch die NPD-Niedersachen bislang verweigert wurde.

Während auf der einen Seite die NPD in der Harzregion zunehmend an Einfluss verlor konnte im Gegenzug die neonazistische Partei „Die Rechte“ ihre Strukturen beständig ausbauen. Doch auch deren Strukturen zeichneten sich in der Vergangenheit nicht primär durch Kontinuität aus. Lokale Stützpunkte, die sich in der Öffentlichkeit als Kreisverbände präsentierten, zeichneten sich vor allem durch temporären Aktionismus aus. Internen Streitigkeiten und mangelnder personelle Unterstützung führten allerdings immer wieder zur Auflösung dieser Zusammenschlüsse. Die letzte Neugründung eines solchen Zusammenschlusses erfolgte zu Beginn des Jahres 2018. Das „Kollektiv Nordharz“, welches für die Ausrichtung des TddZ 2018 verantwortlich zeichnete gab zu diesem Zeitpunkt ihre Auflösung bekannt um sich als „Großkreisverband Süd-Ost-Niedersachsen“ der Partei „Die Rechte“ neu zu formieren. Angesichts der schleppenden Unterstützung des TddZ durch andere Neonazigruppen sollte sich mit diesem Schritt zumindest die Beteiligung der bundesweiten Strukturen der Partei „Die Rechte“ versichert werden. Das der TddZ seine Strahlkraft inzwischen weitestgehend verloren hat zeigte sich bereits bei der Vergabe an die Neonazistrukturen im Harzgebiet. Denn wie Joost Nolte, inzwischen Führungsmitglied beim „Großkreisverband“ in einem Interview mitteilte, war die Wahl der Region Goslar kein Ergebnis langwieriger Überlegungen. Im Gegenteil: "Es gab einfach keinen Anderen, der von sich aus gesagt hätte, wir wollen das, wir können das."


Neonazis aus den Strukturen des „Kollektiv Nordharz“ und später der Partei „Die Rechte“ versuchen dem derzeitig schwindendem Interesse an der organisationsübergreifenden Veranstaltung des TddZ mittels einer Vielzahl von Mobilisierungsveranstaltungen entgegenzuwirken. Inhaltliche Themen werden dabei nahezu ausgeklammert. Hingegen bestimmen Fragestellungen über die Anzahl prognostizierter Teilnehmer*innen zu der Demonstration am 2. Juni in Goslar die internen Diskussionen. Doch auch der Versuch mit einer Vielzahl von Vorfeldveranstaltungen eine größere Öffentlichkeitswirkung zu entfalten scheiterten bislang weitestgehend. Zwar waren die Aktivist*innen des ehemaligen „Kollektiv Nordharz“ mit Informationsständen auf diversen Veranstaltungen vertreten – doch der Zuspruch, so heißt es aus dem Organisationskreis, hielt sich bislang in engen Grenzen.

Und auch Organisatorisch Dieser „Großkreisverband“ , wie er auf der Internetseite genannt wird, umfasst angeblich 12 Landkreise. Bei den wenigen öffentlichen Auftritten, auf denen diese Gruppierung seitdem in Erscheinung trat, hatte es den Anschein, dass die Anzahl fester Gruppenmitlieder stark geschrumpft ist. So konnten Veranstaltungen Anfang März nur mit Hilfe anderer Gruppen, hauptsächlich der JN Braunschweig, eine zweistellige Teilnehmerzahl erreichen. Da Dieter Riefling bei beiden Veranstaltung wiederum mit Redeverbot belegt war und die Gruppe selbst als einzigen Redner den rhetorisch unbegabten Joost Nolte aufstellen kann, fehlte es jedes Mal sowohl an Außen- wie an Innenwirkung. Diese konnten auch bei der von der JN ausgerichteten Folgeveranstaltung Anfang April in Braunschweig nicht erreicht werden. Hier zeigte es sich abermals überdeutlich, dass es der Gruppe, die ja angetreten ist, um eine Großdemonstration auszurichten, neben Redner*innen auch an Organisationsstruktur fehlt. So wurde eine weitere an diesem Tag in Salzgitter geplante Kundgebung aus vorgeschobenen Gründen einfach abgesagt. Die dritte Vorbereitungsveranstaltung fand erst gar nicht statt. Diese für Ende April angemeldete Demonstration, die Göttingen mit einem „Meer von schwarz-weiß-roten Fahnen“ überschwemmen sollte und sogar gerichtlich eingeklagt worden war, wurde am Vortrag von den Veranstaltern abgesagt. Einen weiteren peinlichen Auftritt wollte man sich wohl ersparen. Und auch zu der kurzfristig nachgeschobenen Kundgebung am 18. Mai in Hannover erschienen lediglich 10 Teilnehmer*innen: insgesamt keine guten Aussichten für eine halbwegs als Erfolg zu verkaufende Jubiläumsveranstaltung.